Staunend stehen wir vor dem vielleicht größten Paradoxon der menschlichen Existenz, wenn wir auf ein Kind blicken, das über kein Einkommen verfügt, kein Haus sein eigen nennt,weder Altersvorsorge betreibt noch ein Aktiendepot verwaltet, das sich nicht einmal eine Goldreserve zugelegt hat, das trotz alldem in einem schier unendlichen Vertrauen darauf lebt, mit allem versorgt zu werden, dessen es bedarf, ein spezifischer Weg der Lebensführung, der offensichtlich zum Erfolg führen kann, denn welcher Erwachsene könnte sich messen mit einem Kinde, dem es gelingt, hüpfend und springend durch die Welt zu tanzen, aus jedem Tag ein Fest zu machen, die Häuser mit Freude und Lachen zu erfüllen, jedes Wesen durch Bewunderung und Staunen zu adeln, die Herzen der Menschen zu erwärmen und zu rühren, an Feen zu glauben und die Wahrheit der Märchen zu erfassen, bedingungslos zu lieben und tausendmal zu verzeihen.
Wenn wir auf ein Kind blicken, sehen wir Leichtigkeit und Freude, Vertrauen und Zuversicht, kurzum Eigenschaften, die offensichtlich in der Präsens einer anderen Welt gründen; das Kind ist noch Bürger beider Welten, es ist noch nicht mit dem Virus der Trennung infiziert, es vermag die von den Erwachsenen z.T. willkürlich gezogenen Grenzen zu überwinden; das Kind, das ja gerade erst aus der anderen Welt zu uns kommt, möchte uns an unseren vergessenen Möglichkeiten erinnern, aber in der Regel wollen wir nicht an dieser Wunde rühren lassen, und so bemühen wir uns, die Kinder uns anzugleichen, statt uns selbst dem Kindlichen und damit einer anderen Welt zu öffnen. Jedes neue Kind ist ein Jungbrunnen für unsere Welt, die die Erwachsenen durch Sorgen und Schwere gewissermaßen in Nebel hüllen, sodass sie in ihren Augen beinahe schon alt und grau erscheinen mag. Wenn wir aber bereit sind, unseren (inneren) Kindern die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, werden wir uns so verjüngen, dass wir die Frische und Schönheit dieser Welt wieder wahrnehmen können, die doch jeden Tag neu geboren wird und die von der liebevollen Fürsorge einer anderen Welt behütet und getragen wird, so wie wir es mit unseren (inneren) Kindern tun sollten, die uns zum Dank dafür in Freude und Liebe hüllen wollen.